AUF DIE FEINE TOUR
Der Name „Catalyst“ für eine Turbopropeller-Turbine klingt unspektakulär. Auf den zweiten Blick wird es dann aber doch ein bisschen aufregend, denn der Name ist Programm. Das Aggregat des US-Herstellers GE Aviation wird nicht nur Kleinflugzeuge in die Lüfte erheben, es belegt auch einen ingenieurstechnischen Höhenflug, der Schule machen dürfte: Die Turbine besteht aus lediglich 12 Bauteilen, allesamt mittels 3D-Druck produziert. Bislang fielen in der konventionellen Fertigung solch einer Turbine laut GE 855 Einzelteile an. Das Antriebsgewicht der „Catalyst“-Turbine sinkt um rund fünf, der Kraftstoffverbrauch um bis zu 20 Prozent. Auf dem Prüfstand schlägt sich das Aggregat GE zufolge bereits sehr gut, zu ersten Testflügen soll es bald abheben.
In keinem anderen Industriebereich ist der 3D-Druck so bedeutend wie in der Luft- und Raumfahrt. Das Segment deckt fast ein Fünftel des globalen Marktes ab. Der Hauptgrund dafür lautet „niedrige Stückzahlen“ – zum Vergleich: 2018 wurden weltweit 80 Millionen Pkw produziert, während die beiden wichtigsten Hersteller von Verkehrsflugzeugen, Boeing und Airbus, 1.600 Flugzeuge fertigstellten. Letztere sind groß und komplex, und sie werden bewusst gewissenhaft und sorgfältig produziert. Das ermöglicht es dem vergleichsweise langsamen 3D-Druck, seine Stärken unter Beweis zu stellen. Bei Kleinteilen, aber zusehends auch bei großen, komplexen Komponenten.
DER NEWCOMER WIRD ERWACHSEN
Beim 3D-Druck werden Rohmetalle wie Stahl, Titan oder Aluminium verwendet – meist in Pulverform oder auch als Metalldraht –, um ein Bauteil von Grund auf neu entstehen zu lassen. Mittels Laser wird das Pulver geschmolzen und Schicht um Schicht nach vorher definierten CAD-Daten aufgebaut, bis sich die gewünschte Form gebildet hat. Das Verfahren erlaubt neben der Herstellung aufwändiger Geometrien, wie etwa bei der „Catalyst“-Turbine, auch die Entwicklung von Bauteilen, die mehrere Funktionen in sich vereinen. Dies ist eines der bahnbrechendsten Merkmale des 3D-Drucks überhaupt, da jedes Einzelteil in der Vergangenheit üblicherweise nur einer Funktion gedient hat. Diverse Produktionsschritte, die in der traditionellen Metallbearbeitung nötig sind, fallen weg, und es wird eine vergleichsweise geringe Menge des zum Teil teuren Rohmaterials benötigt.
Diese Vorteile lassen den 3D-Druck in der industriellen Produktion Schritt für Schritt Fuß fassen. Laut dem Marktforschungsunternehmen IDC lag die jährliche Wachstumsrate der Investitionen in die Technologie zwischen 2015 und 2020 bei satten 24,1 Prozent. Prognosen der Beratungsfirma PwC Strategy zufolge dürfte der weltweite Markt für 3D-Druck-Produkte und -Technologien in der Industrie bis 2030 um jährlich zwischen 13 und 23 Prozent wachsen. Das gesamte Marktvolumen könnte dann bei voraussichtlich 22,6 Milliarden Euro liegen.
Allerdings werfen diese Vorhersagen Fragen auf, wie einschneidend, schnell und grundsätzlich der Wandel sein wird, den der 3D-Druck bringt: Verändert er wirklich alle angestammten Produktionsabläufe von Metallkomponenten? Welche Verfahren und Prozessschritte entfallen künftig, welche nicht? Und wie beeinflusst das die Wertschöpfungskette und die Rollen der beteiligten Unternehmen?
NICHT ALLES WIRD ANDERS
Der erweiterte Einsatz von 3D-Druck in der Luft- und Raumfahrtindustrie bedeutet nicht das Ende der Metallbearbeitung“, prognostiziert Mark Howe, Head of Global Product Management Metalworking Lubricants bei FUCHS. „Auf Metallbearbeitungsflüssigkeiten wird man auch künftig nicht verzichten können.“ Bislang seien es vor allem nachgelagerte Lieferanten und deren Subunternehmer, die den OEMs und großen Zulieferern nahezu fertig bearbeitete Metallteile zur Verfügung stellen, die diese dann in das Flugzeug einsetzen. „Durch den Einsatz des 3D-Drucks entfällt künftig ein Großteil dieser ‚Grobbearbeitung‘“, sagt Howe. „Im Gegenzug werden die großen Player mehr und mehr eigene Teile mittels 3D-Druck erzeugen, die dann aber nach wie vor für die Montage optimiert werden müssen.“
Der 3D-Druck gewinnt zwar Marktanteile und bringt immer mehr und komplexere Teile hervor – den mikrometergenauen Feinschliff inklusive etwaiger Oberflächenveredelungen kann er aber nicht ersetzen. „Diese Feinarbeit erfordert fast immer ein Fräsen, Reiben, Bohren und Schleifen, und zwar im Rahmen sehr kleiner Toleranzen“, sagt Howe. „Die Metallteile müssen exakt gearbeitet sein und perfekt passen, zumal in der Luftfahrtindustrie mit ihren sehr hohen Qualitätsansprüchen.“
Diese Veredelungsprozesse werden künftig verstärkt bei den OEMs und ihren großen Lieferanten stattfinden. „Alles spricht dafür, dass diese Aktivitäten im Zuge der anstehenden Produktionssteigerungen sogar zunehmen, um die Nachfrage zu decken“, sagt Mark Howe. Denn die kann sich sehen lassen: Der aktuelle Auftragsbestand für Verkehrsflugzeuge umfasse weltweit 13.000 Flugzeuge, was bei der heutigen Produktionsgeschwindigkeit einer Laufzeit von acht Jahren entspricht, und die jährliche Wachstumsrate bei der Herstellung von Verkehrsflugzeugen liege bei jährlich 4,5 Prozent. Fakten und Zahlen, die den FUCHS-Manager optimistisch stimmen: „Kühlschmierstoffe in der Metallbearbeitung haben eine solide Zukunft.“